Tierschutz im tierärztlichen Alltag

In Arbeitskreisen, die z. T. durch Impulsreferate eingeleitet werden, sollen basierend auf der Diskussion 
vor Ort Forderungen an Politik, Verbände oder andere Adressaten formuliert werden. Diese werden am 10. Oktober 2025 der Hauptversammlung als Beschlussempfehlung vorgelegt.

Arbeitskreis 1: Tierschutz im Pferdesport


Leitung:
Dr. Anja Dörrzapf, Amtstierärztin; stellvertretende Vorsitzende des BTK-Ausschusses für Pferde
Prof. Dr. Karsten Feige, Dipl. ECEIM, Fachtierarzt für Pferde, Direktor der Klinik für Pferde, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, ehem. Vorsitzende des BTK-Ausschusses für Pferde, Ehrenpräsident der Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM)
Dr. Michael Köhler, praktizierender Tierarzt, Fachtierarzt für Pferde und Chirurgie, Vorsitzender des BTK-Ausschusses für Pferde, Präsident der GPM

Pferdesport fasziniert Menschen seit der Antike, wobei sich das Spektrum der Pferdesportdisziplinen in der Neuzeit deutlich erweitert hat. Das Pferd kann sich – anders als der menschliche Sportler – ­jedoch nicht bewusst für diese „Nutzung“ entscheiden. Daraus erwächst die besondere Verantwortung der Pferdebesitzer:innen und Tierärzteschaft gegenüber dem Pferd im Pferdesport. Insbesondere Tierärzt:innen sind mit ihren fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten dazu aufgefordert, zum Schutz und zur Sicherung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Tiere beizutragen. Untermauert wird diese Forderung seit 2002 durch die Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel im Grundgesetz, wodurch Tiere den Status des schützenswerten Mitgeschöpfes erfahren haben. Tierschutzverstöße werden nicht mehr akzeptiert – weder gesetzlich noch gesellschaftlich.
Waren es zu Beginn der 1990er-Jahre einzelne Skandale und Affären im Pferdesport, die zur ­Verankerung der Stellung der Tierärzt:innen im Pferdesport geführt haben, muss in jüngster Zeit in den Verbandsregularien eine Aufweichung dieser Rolle festgestellt werden. So wurde z. B. die ständige ­Anwesenheitspflicht bei Pferdesportveranstaltungen in den neusten Regelwerken der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN – LPO 2024) stark reduziert.
Regelmäßig werden zum Teil schockierende Negativbeispiele bekannt. Noch viel mehr Verstöße werden nicht bekannt oder sind den Verursachenden – z. T. aus Unwissenheit – gar nicht bewusst. Deshalb ist es die Aufgabe der Tierärzteschaft, sich vehement für den Tierschutz im Pferdesport ­einzusetzen. Durch aktiven und sichtbaren Tierschutz kann verhindert werden, dass die Akzeptanz und das Ansehen des Pferdesports in der Gesellschaft verloren geht.

Folgende Themen sollen kritisch diskutiert werden: 

  • Welche Instrumente sind erforderlich, um Tierärzt:innen in ihrer Position so zu stärken, dass sie ihrer Aufgabe zur Beurteilung und Durchsetzung des Tierschutzes bei Pferdesportveranstaltungen gerecht werden können?
  •  Wie können umfassendere Befugnisse zur Umsetzung des Tierschutzes im Pferdesport für Tierärzt:innen geschaffen werden? 
  • Wie kann gewährleistet werden, dass im Pferdesport nur tierschutzgerechte Ausrüstungsgegenstände und Zubehör zum Einsatz kommen? 
  • Wie kann man eine fachkompetente tierärztliche Beratung zu Haltungsfragen von Sportpferden ­flächendeckend etablieren?
  • Welche gesundheitlichen Voraussetzungen sind an die Nutzung des Sportpartners Pferd zu stellen? 
  • Wie kann die Sachkunde zum Umgang mit Pferden bei Haltenden und Betreuenden sichergestellt werden, um Leiden infolge von Unwissenheit – dazu zählt auch Vermenschlichung – zu verhindern?

 

Arbeitskreis 2: Tierschutz in der Kleintierpraxis 


Leitung:
Dr. Christina Bertram, Amtstierärztin in Hamburg, Vizepräsidentin der Tierärztekammer Hamburg, 
u. a. Mitglied im BTK-Ausschuss für Tierschutz
Dr. Maren Püschel, Kleintierklinik Wasbek GmbH & Co KG, stellvertretende Vorsitzende des BTK-Ausschusses für Arbeitsbedingungen, 2. Vizepräsidentin des Bundesverbands Praktizierender Tierärzte e. V.(bpt)

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Tierschutzrelevante Befunde gehören inzwischen auch im ­Kleintierbereich zum tierärztlichen Alltag. Zwischen gesetzlichen Vorgaben und Möglichkeiten, ­ethischen Erwartungen, Halterwünschen und wirtschaftlichen Zwängen stehen sowohl Praktiker:innen als auch Amtstierärzt:innen aber oft allein. Viele Aspekte wie Adipositas, Zahnprobleme, nicht erkannte Schmerzen, aber auch Qualzucht, fehlende Sachkunde oder verwahrloste Tiere haben oft eine gemeinsame Ursache: Unwissenheit, Fehleinschätzung oder Verdrängung. 
In deutschen Wohnungen leiden tagtäglich Tiere – häufig ohne bösen Willen, aber mit fatalen ­Folgen. „Dr. Google“, Social Media und Halterforen verstärken die Diskrepanz zwischen Wunschbild und Realität. Tierärzt:innen geraten dadurch immer wieder in schwierige Gesprächs- und Entscheidungs­situationen.
Ein realistischer, praxisnaher Umgang mit diesen Herausforderungen ist gefragt.


Dabei sehen wir als zentrale Fragen: 

  • Wie lässt sich Tierleid verhindern, das durch fehlendes Wissen zur Haltung, romantisierte Bilder von Heimtierhaltung und Fehlinformationen aus dem Netz entsteht?
  • Wie und bei welchen Tierarten können Sachkundenachweise implementiert werden?
  • Wie gelingt erfolgreiche Kommunikation, ohne den Kunden zu verlieren, wenn Behandlungsbedarf ignoriert oder verdrängt wird?
  • Was kann getan werden, wenn Tierbesitzer:innen Behandlungen oder Euthanasie aus Angst, finan­ziellen oder anderen Gründen ablehnen?
  • Was tun bei Verdacht auf Verwahrlosung oder Animal Hoarding? Wie ist hier eine erfolgreiche ­Kooperation zwischen Amt und Praxis möglich?
  • Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Praktiker:innen und Amtstierärzt:innen gestärkt werden? Wo liegen Schnittstellen, wo Missverständnisse?
  • Welche rechtlichen Grauzonen erschweren tierärztliche Entscheidungen?


Wir wollen konkrete, umsetzbare Forderungen für die Berufspolitik entwickeln, für mehr Rückhalt im ­Berufsalltag, mehr umsetzbaren Tierschutz in der Kleintierpraxis und eine stärkere Stimme der Tierärzte­schaft im gesellschaftlichen Tierschutzdiskurs. Zusätzlich soll der Arbeitskreis den Dialog zwischen Amt und Praxis fördern und gemeinsam tragfähige, realistische Lösungen für den tierärztlichen Alltag erarbeiten.

 

Arbeitskreis 3: Tierschutz im Amt 


Leitung:
Laura Schuster, Sachgebietsleiterin (Veterinärwesen) und stellvertretende Amtsleiterin im Landkreis Oberspreewald-Lausitz, Mitglied im Vorstand der Landestierärztekammer Brandenburg und Vorsitzende des BTK-Ausschusses für Arbeitsbedingungen
Dr. Matthias Triphaus, Dezernatsleiter Tierarzneimittelüberwachung beim Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), 1. Stellvertretender Vorsitzender der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT)

Waren früher Tierseuchenbekämpfung und Lebensmittelüberwachung die Hauptgebiete in der Veteri­när­verwaltung, nimmt die Tierschutzüberwachung inzwischen einen immer größeren Teil der zu bewältigenden Aufgaben ein. Zudem ist sie für einen nicht unerheblichen Teil der Beschäftigten Haupt­motivation für die behördliche Tätigkeit. Die Arbeitsbedingungen der im Vollzug tätigen Tierärzt:innen sind dabei von zentraler Bedeutung für einen funktionierenden staatlichen Tierschutz und grundlegende Voraussetzung für eine langfristige Aufgabenwahrnehmung. 
In den letzten Jahren gestalten sich diese Arbeitsbedingungen zunehmend herausfordernd. Dabei spielen zu diskutierende Einflussfaktoren von außen eine große Rolle. Hier sind insbesondere die zunehmende Gewaltandrohung und -anwendung, die negative Darstellung in manchen Medien und der moralische Druck vermeintlicher Tierschützer:innen zu nennen. Hinzu kommen interne Faktoren, z. B. konkurrierende Rechtsvorschriften, mangelndes Wissen der Richter:innen und Staatsanwält:innen oder fehlende Unterstützung in der eigenen Verwaltung. Es stellt sich auch die Frage nach der Wahrnehmung und Wertschätzung dieses Tätigkeitsfeldes, gesellschaftlich ebenso wie im Berufsstand. 
Daneben gibt es aber auch erfüllende Situationen und Leidenschaft für den Tierschutz und viele Kolleg:innen setzen sich in ihrem Beruf erfolgreich für den Tierschutz ein. 

Im Arbeitskreis wollen wir uns den Problemen annähern und insbesondere die folgenden Fragen ­diskutieren: 

  • Wie kann das Engagement der Tierärzt:innen im Bereich Tierschutz bewahrt und gefördert werden? 
  • Wie kann den belastenden Arbeitsbedingungen im Tierschutzvollzug begegnet werden? Welche ­Forderungen sind zu stellen? 
  • Wie kann verhindert werden, dass die Garantenstellung der amtlich tätigen Tierärzt:innen zur er­drückenden Bürde wird? · Was wird für einen funktionierenden Tierschutz gebraucht (Überwachung und Vollzug)?
  • Welche Einflussmöglichkeiten bestehen für die Darstellung dieser elementaren beruflichen Aufgabe?

 


Arbeitskreis 4: Tierschutz in der Nutztierhaltung 


Leitung:
Dr. Henrik Wagner, Dipl.-Ing. agr. und Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer, Tierklinik für Reproduktionsmedizin und Neugeborenenkunde der Justus-Liebig-Universität Gießen, Mitglied des Vorstands der Landestierärztekammer Hessen, Vorsitzender der DVG-Fachgruppe Kleine Wiederkäuer und Neuweltkamele, Mitglied im BTK-Ausschuss für Wiederkäuer
Dr. Daniela Bürstel, Fachtierärztin für Schafe sowie für Zuchthygiene und Besamung, Schafherdengesundheitsdienst der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg, stellvertretende Vorsitzende der DVG-Fachgruppe Kleine Wiederkäuer und Neuweltkamele

Kleine Wiederkäuer (Schafe und Ziegen) sind seit ihrer Domestikation nicht mehr aus der Landwirtschaft und der Landschaft wegzudenken. Die ursprünglichen Nutzungs- und Haltungseigenschaften sind aber mit der heutigen Situation nicht mehr vergleichbar. Und auch Tierschutzprobleme waren früher nicht so präsent wie heute.
Neuweltkamele (NWK) sind als „neuere“ Tierart in Deutschland am Anfang dieser Kaskade und ­unterlagen bereits in den letzten 10 Jahren einem enormen Wandel, der uns Tierärzt:innen zu denken geben sollte. 
Die Bestandszahlen dieser „minor species“ haben sich in den letzten Jahrzehnten und Jahren teils drastisch verringert (Schaf und Ziege) bzw. stark erhöht (Alpakas und Lamas). Ihre veterinärmedi­zinische Versorgung ist nach wie vor lückenhaft, weil es kaum spezialisierte Tierärzt:innen gibt und die behandelnden Kolleg:innen bei der Arzneimittelversorgung oft vor unüberwindbare juristische Hürden gestellt werden, die eine fachlich adäquate Therapie der Tiere erschweren.
In direktem Zusammenhang mit der unzureichenden Arzneimittelversorgung steht die Suche nach Alternativoptionen mittels Tierzucht. Zucht auf erhöhte Parasitenresistenz oder kürzere Schwänze sind nur zwei Beispiele beim Schaf. Die aktuelle Zucht von NWK geht hingegen weniger auf die gezielte ­Verpaarung von gesunden, züchterisch gut bewerteten Tieren ein, sondern auf einen „hübschen“ Phänotyp, was durch die Tierärzteschaft im Sinne des Tierschutzes (Qualzucht) kritisch kommuniziert werden sollte.
Tierschutzrelevante Fragestellungen bezüglich der verschiedenen Nutzungsrichtungen dieser Tierarten werden seitens der Behörden auf Landes- und Bundesebene unterschiedlich bearbeitet; für ­Alpakas und Lamas fehlen sogar jegliche Grundlagen für die Bewertungen der Nutzungsrichtungen.

Gemeinsam sollen folgende Themen gerne kontrovers diskutiert werden.

  1. Wie sähe eine rechtlich konforme, adäquate Arzneimittelversorgung aus, die den Tierschutz nicht ­vernachlässigt?
  2.  Gibt es züchterische Strategien zur Verbesserung des Tierschutzes und der Tiergesundheit, und wie sinnvoll sind diese für kleine Wiederkäuer und Neuweltkamele?
  3. Wie und wo finden die besonderen Haltungs- und Nutzungsbedingungen dieser Tierarten fachlich ­fundiert und gesetzlich verankert ihren Grundstein? Wie sollte eine Zusammenarbeit der Über­wachungsbehörden aussehen?
  4. Wie können Tierärzt:innen die Tierhaltenden für den Tierschutz sensibilisieren?
  5. Wie kann die tierärztliche Expertise in diesem Nutztiersektor nachhaltig gesichert werden?