Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung und Verwendung eines Tierwohlkennzeichens

Die Bundestierärztekammer (BTK) bedankt sich für die Möglichkeit, zum Entwurf des Gesetzes zur Einführung und Verwendung eines Tierwohlkennzeichens (Tierwohlkennzeichengesetz – TierWKG) Stellung nehmen zu können.

Grundsätzliche Erwägungen
Bei aller Nachvollziehbarkeit des Zieles, verlässlich, einfach, transparent und verbraucherfreundlich für Fleisch aus besserer Tierhaltung anhand verbindlicher Kriterien eine bessere Erkennbarkeit zu schaffen, muss kritisch hinterfragt werden, ob der Gesetzesentwurf diesem Anspruch in ausreichender Weise genügen kann.
Betrachtet man die möglichen Rechtssetzungsinhalte, so kann man vier Stufen erkennen, die absteigend dem Tierwohl und aufsteigend – möglicherweise – dem Interesse der Tierhalter dienen:

1. Mit der überfälligen Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und der §§ 5 und 6 des Tierschutzgesetzes, sowie der Einführung eines verpflichtenden Prüf- und Bewilligungsverfahrens für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen und Anlagen zur Betäubung von Schlachttieren, könnten für alle Tiere Verbesserungen erreicht werden. Die BTK verweist auf ihre einschlägigen Stellungnahmen1, die dem BMEL vorliegen.

2. Eine Pflichtkennzeichnung unterschiedlicher Tierschutzstandards, analog der Kennzeichnung der Eier, wofür eine gute Verbraucherakzeptanz zu erwarten ist. Dabei müssen sowohl Haltungsverfahren als auch tierbezogen erhobene Tierschutzindikatoren festgelegt werden, mit staatlicher Aufsicht.

3. Eine differenzierte Beschreibung freiwilliger Label-Stufen mit staatlicher Aufsicht.

4. Eine Beschreibung freiwilliger Label-Stufen mit privatrechtlich organisierter Aufsicht, wie im vorliegenden Entwurf eines TierWKG.

Zu dem vorgelegten Entwurf eines TierWKG nimmt die BTK wie folgt Stellung:

Grundsätzliches zu § 1 TierWKG

Die Freiwilligkeit der Nutzung des Labels lässt befürchten, dass zumindest die angestrebte „Verbraucherfreundlichkeit" nicht erreicht werden kann. Zu überlegen wäre, ob es nicht zielführender ist, zunächst Anforderungen an bestimmte Haltungsformen (z. B. Auslaufhaltung, Weidehaltung, Stallhaltung in unterschiedlichen Varianten) festzulegen, die dann zurKennzeichnung der Haltungsform genutzt werden müssen. Auf diese Weise ließe sich auch der Begriff einer Tierwohlkennzeichnung durch die neutralere Bezeichnung Tierhaltungskennzeichnung ersetzen. Der berechtigte Verbraucheranspruch wird oft als das Verlangen nach Sicherheit formuliert, dass von ihm gekaufte Lebensmittel tierischer Herkunft – auch ohne gelabelt zu sein – von Tieren gewonnen wurden, die tiergerecht gehalten wurden. Der zudem oft beklagte „Labeldschungel" wird mit dem Rechtsetzungsvorhaben in der vorgelegten Fassung kaum gelichtet werden können. Um dem berechtigten Anspruch der Tierhalter nach angemessener Entlohnung zusätzlicher Angebote wie Weidehaltung gerecht zu werden, ist insbesondere der Einzelhandel gefragt, Lösungen anzubieten.

Zu den §§ 2 - 6a TierWKG

Die Schaffung einer eigenen (zusätzlichen!) Kontrollbehörde ist mit dem vielfach beschworenen Bürokratieabbau kaum zu vereinbaren. Geprüft werden muss die Einhaltung von Tierschutzkriterien, eine originäre Aufgabe der bereits jetzt für Tierschutz zuständigen Vor-Ort-Behörden. Dafür wäre eine Beteiligung des Bundesrates mit sicher aufwendigen Diskussionen notwendig, aber im Hinblick auf die Kontrollbelastung der teilnehmenden Betriebe überlegenswert. Die Einsetzung privater Kontrollorganisationen hat sich in der Vergangenheit nur bedingt bewährt.

Eine personell und technisch verbesserte Ausstattung der Veterinärbehörden und Anpassung der Rechtsgrundlagen (rechtssichere und einfache Datenerhebung und -nutzung) zur Steigerung der Effektivität und Effizienz (s. u.) ist ohnehin unerlässlich.

Zu § 7 TierWKG
Der Ermächtigungskatalog ist umfassend. Neben den reinen Haltungsbedingungen sollten jedoch vor allem tierbezogene Tierschutzindikatoren zur Beurteilung des Tierwohls einbezogen werden. Diese Indikatoren reagieren sowohl auf die Haltungsbedingungen, als auch auf das Management und legen außerdem Überforderungen durch eine überzogene Leistungszucht offen.

Neben der Kontrolle vor Ort ist die verpflichtend vorgeschriebene, standardisierte Erhebung von Schlachtbefunden und die routinemäßige Kontrolle der Tierkadaver in Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte durch die für Tierschutz zuständigen Behörden zwingend erforderlich. Entsprechende rechtliche Regelungen sind vorrangig zu schaffen. Die systematisch vorliegende Überforderung vieler Zuchtlinien durch eine überzogene Leistungszucht wird insbesondere durch geringe Lebensdauer bei Kühen und Sauen, durch erhöhte Mortalität bei Ferkeln sowie durch eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit beim Geflügel dokumentiert und ist ebenfalls zu berücksichtigen. Auch die Bedingungen bei Transporten, z. B. von Schlachttieren, und während der Betäubung und Schlachtung stellen elementar wichtige Tierschutzaspekte dar, die in die Kriterien einfließen müssen.

Unabhängig davon, dass der Entwurf lediglich einen ersten Schritt in Richtung Transparenz bei den Haltungsbedingungen landwirtschaftlich genutzter Tiere darstellt, geht die Bundestierärztekammer davon aus, dass sie an den Beratungen über die Kriterienkataloge beteiligt wird, und ist gerne bereit und in der Lage, entsprechende Expertinnen und Experten in die Beratungsgremien zu entsenden.