Mutation als Schönheitsideal?

Bundestierärztekammer zum Welttierschutztag

BTK Berlin (01.10.2015) Zum Welttierschutztag appelliert die BTK: Wer Tiere liebt, entscheidet sich gegen Hunde- oder und Katzenrassen mit gesundheitlichen Problemen.
© C. Pfister
Dieses Urteil mit Signalwirkung war wirklich eine gute Nachricht im Vorfeld des Welttierschutztages: Das Berliner Verwaltungsgericht unterstützte die Anordnung des Veterinäramtes Spandau, einen Kater der Rasse Canadian Sphinx kastrieren zu lassen, da auch die Nachzucht tierschutzwidrige Merkmale tragen würde. Indem sie die Zucht dieser Nacktkatzen, denen mit den Tasthaaren durch einen Gendefekt auch ein wichtiges Sinnesorgan fehlt, untersagt haben, wendeten die Berliner Richter erstmals den „Qualzuchtparagrafen“ des neuen Tierschutzgesetzes an. Die Bundestierärztekammer begrüßt dieses Urteil und hofft, dass nun auch im Berufungsverfahren im Sinne des Tierschutzes geurteilt wird.

Doch sollte die Verhinderung von Qualzuchten nicht allein Sache von Gerichten oder Amtstierärzten sein: Anlässlich des Welttierschutztages, der jährlich am 4. Oktober begangen wird, appelliert die Bundestierärztekammer an alle Tierfreunde mit Herz und Verstand, keine Hunde- oder Katzenrasse mit Qualzuchtmerkmalen anzuschaffen. „Wer Hunde und Katzen wirklich liebt, sollte sich für Vertretern von Rassen entscheiden, die sich ohne Schmerzen bewegen können, die nicht mehrfach operiert werden müssen, um überhaupt problemlos atmen zu können, oder die so riesig oder schwer gezüchtet wurden, dass Gelenksprobleme vorprogrammiert sind“, warnt Prof. Dr. Theo Mantel, Präsident der Bundestierärztekammer.

Neben den Problemen, unter denen die Tiere als Folge bestimmter anatomischer Merkmale wie Kurzköpfigkeit (Brachyzephalie) zu leiden haben, sind sie oft auch noch eklatant in ihrem Verhaltensrepertoire eingeschränkt: Mit den Tasthaaren fehlt den Katzen ein wichtiges Sinnesorgan, Kommunikation über Körpersprache – so z.B. das „Großmachen“ als Imponier- und Warnverhalten durch das Sträuben des Felles – ist bei Nackthunden und -katzen nicht möglich; das ständige Röcheln und Gurgeln extrem kurzköpfiger Möpse oder Englischer Bulldoggen wird von anderen Hunden oft als Knurrlaut missverstanden; auch bestimmte körpersprachliche Signale mancher Rassen können von Artgenossen fehlgedeutet werden. Und Bewegung über lange Strecken, ein Grundbedürfnis und Wolfserbe aller Hunde, ist einigen Rassen durch zuchtbedingte Häufung von Hüftgelenksleiden, Atemprobleme oder nicht-funktionale Körperproportionen nicht mehr möglich.

Mantel: „Laut Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder diese untauglich sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. Da die Nachfrage aber das Angebot regelt, helfen Verbote leider wenig. Qualzuchten können nur unterbunden werden, wenn sich Tierfreunde bewusst gegen eine Rasse entscheiden, bei der ein Gendefekt zum Schönheitsideal erhoben wurde.“

Mit dem Thema Qualzucht“ wird sich auch ein Arbeitskreis auf dem 27. Deutschen Tierärztetag beschäftigen, der vom 28. bis 30. Oktober in Bamberg stattfindet. Unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. Martin Kramer, Gießen, und Dr. Friedrich Röcken, Schleswig, diskutieren Tierärzte, wie sie im Sinne des Tierwohls einwirken und aufklären können. Impulsreferate zu den Themen „Qualzuchten: der Tierarzt als Schnittstelle zwischen Züchter, Besitzer und Politik?“, Brachyzephalie bei Hund und Katze – mehr als nur ein Atemproblem“ oder „Kleinsäuger: Qualzuchten und ihre Folgen“ ergänzen das Forum, das am 29.10. zwischen 9.30 und 17 Uhr stattfindet. Interessierte Pressevertreter können sich unter presse@btkberlin.de für diesen Arbeitskreis anmelden.